Rumänien: Eine Reise durch die Walachei

Autor: Marcel K.

Ein Reisebericht kann nie alle Eindrücke und Erfahrungen wiedergeben und sollte diesen Anspruch auch nicht zum Ziel haben. Entsprechend beschränken sich die folgenden Zeilen auf die Erinnerungen, die über mehrere Jahre bestehen geblieben sind und an die sich die Beteiligten gerne zurückerinnern. Zum Schutz aller Mitreisenden sind Textlücken vorgesehen und das Bildmaterial aufgearbeitet.

Gut gestärkt, teilweise in löchrigen Socken und ohne Frühstück für Tobi verlassen wir in kleiner Gruppe die schöne Südpfalz und beginnen unsere Reise durch Rumänien mit einem Wochenende in Bukarest, bevor der Rest unserer Reisegruppe anreist.

Kapitel 1: Die Hauptstadt – ein Xklusives Vergnügen

In Bukarest angekommen lassen wir keine Zeit verstreichen und erkunden die berüchtigte Altstadt, auf der Suche nach traditionellen rumänischen Essens- und Getränkespezialitäten. Die Corona-Pandemie holt uns aber schon am ersten Abend auf den Boden der Tatsachen zurück und wir werden von einer nächtlichen Sperrstunde überrascht, die uns auf der gesamten Reise begleitet. Wir lassen uns die gute Laune nicht verderben und beschließen bereits am nächsten Tag einen ausgedehnten Spaziergang zu unternehmen, unbeeindruckt von der regnerischen Wetterprognose.

Die Sehenswürdigkeiten der Stadt, allen voran der Palast des Parlaments (früher: Haus des Volkes), welcher von 1983 – 1989 vom diktatorisch regierenden Präsidenten Ceausescu im Dreischichtbetrieb errichtet wurde. Der Palast reiht sich ein in eine Vielzahl an Bauten, die reisefreudigen Mitteleuropäern vertraut erscheinen. Beispielsweise ist die zum Präsidentenpalast hin ausgerichtete Prachtstraße der Champs Elysee in Paris nachempfunden. Den Charme der französischen Hauptstadt suchen wir aber auch in Gegenwart des örtlichen Triumphbogens vergebens.

Das bestimmende Thema in unseren Stadtführungen sind die Auswirkungen des Sozialismus auf das Leben der Menschen in der Stadt, die täglich von Hunger und Vertreibung bedroht waren. und der Niedergang der Sowjetunion. Auffällig oft betonen die Tourguides die überwiegend positiven Entwicklungen, die sich im Land erkennen lassen.

Das wohl beste landestypische Essen entdecken wir am zweiten Tag durch Zufall und zu später Stunde (es war immerhin dunkel) im Old Kitchen. Es schmeckt uns so sogar so gut, dass wir unsere gesamte Reisegruppe zwei Tag später dorthin drängen.

Kapitel 2: Braşov

Unser Busfahrer Bogdan (der Name könnte abweichen), der uns über die gesamten zwei Wochen begleitet, navigiert uns über das ausgeklügelte rumänische Fernstraßennetz, dass sich durch eine faszinierende Aneinanderreihung von Autobahnabschnitten und Landstraßen auszeichnet, nach Braşov – das Hollywood Rumäniens.

Unterwegs lassen wir uns (auf Wunsch eines einzelnen Professors) die Gelegenheit nicht entgehen und starten einen Spaziergang zu einem berühmten Schloss, welches sich entgegen der allgemeinen Kommunikation nicht hinter der nächsten Ecke, sondern hinter einem Berg befindet. Die Motivation für die entstehende Wanderung wird durch die landschaftliche Schönheit und den regelmäßigen Fund von Bärenkot aufrecht gehalten. Endlich am Ziel angekommen, freuen wir uns nach kurzer Besichtigung im Schloss auf die Weiterfahrt und die Stärkung beim gemeinsamen Abendessen.

Das weltweit bekannte Dracula-Schloss, welches sich nur eine Busfahrt von Braşov entfernt befindet, können wir uns auf der Reise nicht entgehen lassen und haben durch die Pandemie das Glück, dass das Schloss nicht von Touristen heimgesucht wird, die die ernüchternde Wahrheit, der das Schloss durch die örtlichen Tourguides erfahren.

Der gastronomische Höhepunkt unseres Aufenthalts in der Stadt ist die Einkehr in einem Restaurant, dass sich in einem weitläufigen Bierkeller befindet und mit untypisch zuvorkommenden Servicepersonal bei uns punkten kann. Als gute Gäste lassen wir es uns nicht nehmen und kommen dem Servicepersonal mit einer Vielzahl an Getränkebestellungen entgegen. Der Vieltrinker-Status auf der Reise ist geboren.

Kapitel 3: Sibiu

Die wohl schönste Stadt Siebenbürgens, wenn nicht gar ganz Rumäniens, ist geprägt von der deutschen Kultur und der traumhaften, landschaftlichen Umgebung. Im Süden der Stadt erheben sich eindrucksvoll die Karpaten, die auch bei einem Aperol-Spritz auf dem Marktplatz in der aufwendig (mit EU-Geldern) sanierten Altstadt zu erkennen sind.

Unsere ersten Schritte in Sibiu werden begleitet von dem sehr angenehmen Sarkasmus unserer Fremdenführerin, die sich (zum Glück beider Seiten) auf das Niveau der Reisegruppe perfekt einstellt und uns im Anschluss an die Führung mit deutschsprachigen Studierenden zusammenbringt.

Aufgrund der Lage der Stadt am Rande der Karpaten und aus Mangel an Alternativen im Reiseprogramm, entschließen wir uns zu einer Wanderung. Über ein weiteres Prestigeprojekt aus den Zeiten des Kommunismus, der Transfogarascher Hochstraße ,- ein spektakulärer und zugleich völlig überflüssiger Gebirgspass, der zu allem Überfluss in einem Tunnel endet (?!) – machen wir uns auf dem Weg zu unserem Startpunkt.

Mit den Erfahrungen aus unserem „Spaziergang“ in Braşov sind wir auf das schlimmste vorbereitet und werden entgegen aller Erwartungen, von den Wetterverhältnissen und der Tourenplanung überrascht. Den Wetterverhältnissen und dem Überlebensinstinkt zum Trotz, machen wir uns in fast voller Truppenstärke auf den Weg. Sehr schlecht ausgestattet erklimmen wir teilweise in Jeans einen Gipfel in den Karpaten auf über 2.500 m. Der Weg führt uns durch wunderschöne, fast unberührte Landschaften und ein ausgedehntes Schneefeld auf der Nordseite des Berges, welches in einem kurzen Klettersteig mündet. Wie durch ein Wunder schaffen es alle bis zum Gipfel, der für uns durch den dichten Nebel keine spektakuläre Aussicht, sondern nur den Stolz über die Besteigung bereithält.

Auf den Rückweg sind wir mental noch nicht vorbereitet, müssen diesen jedoch antreten, um unseren Bus rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen. Als Gruppe verlieren wir uns aufgrund der unterschiedlichen Leistungsniveaus und körperlichen Ausfallerscheinungen aus den Augen und finden erst nach Stunden am Bus wieder zusammen. Den Glühwein für die Rückfahrt haben wir uns reichlich verdient.

Kapitel 4: Cluj

Unser Weg nach Cluj startet mit der viel zu frühen Abreise aus dem wunderschönen Sibiu, was uns alle ein wenig traurig stimmt. Entsprechend groß sind die Erwartungen an Cluj, eine der lebenswertesten Städte Europas, sofern man den Umfragen Glauben schenken mag. Einer der Gründe sind sicherlich viele mitteleuropäische Unternehmen, die sich gerne in der Region ansiedeln.

Wir finden uns allerdings auf einem Hügel über der Stadt in einem Hotel aus der Sowjetzeit wieder. Die Betten sind durchgelegen, die sanitären Einrichtungen dem Baujahr entsprechend (ca. 1970er) und der Fahrstuhl zwingt uns zum händischen Öffnen der Tür. Die Möglichkeit kostenlos im Fitnessstudio zu trainieren (inkl. Pool) gleicht die Umstände nur teilweise aus.

Die mittlerweile obligatorische Stadtführung zeichnet sich durch die Orientierung an der Geschichte der Stadt aus. Dabei ist es beispielsweise weniger entscheidend, ob Gebäude zum heutigen Tag noch bestehen oder ob überhaupt geplant war diese zu bauen – es werden alle Daten und Fakten erläutert, sodass sich durch unsere Gruppe keine Nachfragen ergeben.

Die anschließende Stärkung in den hiesigen Restaurants haben wir uns reichlich verdient und aufgrund der abgelegenen Lage des Hotels, der Corona-Sperrstunde und der generellen Erschöpfung schließen wir das Kapitel Cluj an dieser Stelle mit einem Heilbronner Frühstück ab.

Kapitel 5: Temeswar

Die Abreise aus Cluj stimmt unsere Gruppe positiv und wir freuen uns auf unsere letzte Station in Timisoara. Auf dem Weg steht noch ein weiteres Highlight an, die Besichtigung eines ehemaligen Bergwerks. Dieses wurde in der Zwischenzeit in einen unterirdischen Freizeitpark verwandelt, der sich durch die Kontraste aus rustikalem Bergbau und filigranen Elementen durch die Attraktionen auszeichnet, beispielsweise einem Bootsverleih. Auch hier kommt uns die Corona-Pandemie entgegen und wir treffen nur wenige weitere Touristen, an diesem sonst überlaufenen Ort.

Temeswar beginnt für uns mit einer Tour durch die Innenstadt mit Anna. Anna ist eine Deutschlehrerin in Temeswar, die nebenberuflich Führungen anbietet und uns von den alltäglichen Problemen in der Stadt berichtet, ihr Lieblingskaffee empfiehlt und die besten Restaurants der Stadt zeigt. Trotz der lockeren Atmosphäre liegt der Fokus auf der entscheidenden Rolle der Stadt für die Revolution und weiter gefasst auch dem Untergang der gesamten Sowjetunion.

Tiefer in die Geschichte eintauchen können wir im Museum der Revolution. Dort finden wir die bisher fehlenden Daten und Fakten, um uns die Zusammenhänge der Revolution im Selbststudium zu erschließen. Als Highlight dürfen wir als Gruppe eine aufwendig gestaltete Videovorführung genießen, die uns mit in die Vergangenheit nimmt. Besonders zu erwähnen ist die gewählte Filmmusik aus der „Der Herr der Ringe“-Trilogie, die die Brutalität verdeutlicht.

Die Nähe zu Deutschland wird in der Stadt schnell deutlich und findet in ihrem Bürgermeister mit deutschen Wurzeln die größtmögliche Bestätigung. Darin sehen viele Einheimische ein wichtiges Puzzleteil, beispielsweise in Bezug auf die fehlende Gasversorgung in der Stadt über die Wintermonate, auch in Anbetracht auf die Subventionierung durch die EU.

Die Fleischeslust und Gastkultur der Rumänen wird uns auf Einladung durch ein örtliches Unternehmen nochmal verdeutlicht. Die aufgetischten Speisen sind in den Bildern nur zum Teil enthalten und können die Menge an Essen nur kaum wiederspiegeln. Mit überfülltem Bauch und mehrere Stunden später mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass keiner von uns an unseren Busfahrer Bogdan dachte, der die ganze Zeit im Bus auf uns warten musste und sich aufgrund der Parkplatzsituation nichts zu essen kaufen konnte.

Abschluss

Die Reise durch Rumänien führt uns an allen Orten immer in die bewegte Geschichte der einzelnen Regionen und des Landes ein. Vor allem die tiefen Eindrücke die wir durch den persönlichen Kontakt zu den Einheimischen gewinnen können machen die Reise besonders wertvoll. Die Besichtigung von Unternehmen, allen voran deutschen Unternehmen mit rumänischen Niederlassungen bleibt uns leider verwehrt, bietet aber die Möglichkeit die wunderschöne Natur zu erleben.

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